Die Zeit drängt!
Als SPD-Fraktion sehen wir uns in besonderer Verantwortung. Wir sind die einzige Fraktion, die in Regierungsverantwortung die gesetzlichen Voraussetzungen für den Atom- und Kohleausstieg geschaffen – und vor Jahren das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht hat. Somit geht Deutschland als erstes hochindustrialisiertes Land den
Weg in das Zeitalter der vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Energien. Strom kommt nicht mehr aus dem großen grauen Kraftwerk, sondern von unseren Dächern, von Flächen auf dem Land und vom Meer.
Aber nicht nur die Energiewirtschaft wird erneuerbar: Der klimagerechte Umbau unserer Wirtschaft, die Dekarbonisierung des Verkehrs, die Einsparungen im Gebäudebereich sind allesamt zu einem großen Teil stromgetrieben. Mit dem Konjunkturpaket haben wir den zukunftsfähigen Umbau unserer Industrie nochmals gewaltig angeschoben. Grüner Wasserstoff ist als Schlüssel der Sektorkopplung für eine erfolgreiche Energiewende unverzichtbar – um dieses
Potenzial aber auch mit nationaler Produktion zu erschließen, müssen wir ausreichend Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung haben.
Da die Energieversorgung an vielen Orten zentral und dezentral stattfindet, müssen wir die Bürgerinnen wieder dafür begeistern mitzumachen. Die Energiewende muss ein Mitmachprojekt für alle werden. Warum sollte künftig in der Tagesschau nicht wie über den Dax über den Stand des Ausbaus der erneuerbaren Energien in den einzelnen Regionen Deutschlands berichtet werden? Dies setzt sicherlich voraus, dass sich alle BürgerInnen an der Wertschöpfung im Bereich der erneuerbaren Energien beteiligen können und zwar egal, ob mit großem oder kleinem Geldbeutel sowie unabhängig davon, ob sie auf dem Land oder in der Stadt wohnen.
Der Umstieg wird nur gelingen, wenn wir jetzt umfassend handeln. Darum wollen wir JETZT mit der Reform des EEG die Weichen für die BürgerInnen sowie für die Industrie und den Handel stellen und bieten dem Koalitionspartner eine weitgehende Beschlussfassung an. 2 Unsere Leitsätze dabei sind eine bezahlbare Versorgung mit erneuerbarer Energie für alle, eine faire Verteilung der Kosten, verlässliche und stabile Rahmenbedingungen für private VerbraucherInnen und Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie die Schaffung von zukunftssicheren Arbeitsplätzen.
Zentrale Bausteine sind für uns:
- der viel umfangreichere, schnellere und vor allem konzertierte Ausbau der erneuerbaren
Energien durch einen verbindlichen Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern, Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden, der Ausbaupfade und Zielerreichung transparent werden lässt; dieser Pakt schafft stabile Rahmenbedingungen und damit sichere zukunftsfähige Arbeitsplätze. Er soll gleichzeitig ermöglichen, flexibel auf neue heute noch nicht absehbare Herausforderungen in diesem Rahmen zu reagieren. Denn eines wissen wir auch: Die Energiewende ist ein lernender Prozess; - die stärkere Beteiligung der Bürger*Innen an der Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien u.a. durch einen verstärkten Ausbau des Mieterstroms, der gemeinschaftlichen Eigenversorgung im Rahmen von Energiegemeinschaften, kommunalen Beteiligungsmodellen und Grünstrom-Anleihen;
- die konsequente und verpflichtende Nutzung von geeigneten Flächen: so müssen beispielsweise geeignete Dächer öffentlicher Gebäude sowie privater und gewerblicher Neubauten für erneuerbare Energien genutzt werden;
- die größtmögliche Entbürokratisierung zugunsten des Eigenverbrauchs einschließlich gemeinschaftlicher Eigenversorgung und die gerechte Finanzierung der Förderung der erneuerbaren Energien durch eine umfassende Reform des Abgaben- und Umlagesystems sicherzustellen – einschließlich der Abschaffung der EEG-Umlage. Eine Finanzierung soll über die Einnahmen aus dem CO2-Preis sowie über eine Erhöhung der Stromsteuer und den Abbau von klimaschädlichen Subventionen erfolgen. Digitalisierung und Flexibilisierung sind notwendige
Instrumente im Rahmen der Energiewende.
Im Einzelnen:
Umfangreicherer und verbindlicher Ausbau der Erneuerbaren Energien
Im Entwurf des EEG sind Ausbauziele fixiert, die nicht zur im Europäischen Rat diskutierten Anpassung der Klimaziele passen. Wollen wir unserer Verantwortung gerecht werden, müssen wir die Ausbauziele schon jetzt deutlich erhöhen. Die Ausbauziele bemessen sich an einem geschätzten Bruttostromverbrauch, der schon jetzt absehbar nicht realistisch ist. Ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Bund, Ländern und Kommunen hinsichtlich des so dringend benötigten Ausbaus gibt es momentan nicht. Wir brauchen deshalb:
• Einen Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen, der das regional Mögliche mit dem national Notwendigen und dem auf europäischer Ebene Sinnvollen zusammendenkt, verbindliche Absprachen über die jeweiligen Beiträge enthält und den Stand des Ausbaus transparent macht. Dies umfasst zunächst eine Weißflächenanalyse für den Windkraft- und den Solar-Ausbau im gesamten Bundesgebiet. Die Länder
und der Bund vereinbaren feste Flächenziele sowie eine regionale Verteilung der installierten Leistungen. Einbezogen werden alle Technologien erneuerbarer Energien.
Dabei ist auch der Aspekt der fairen Lastenteilung zwischen den Regionen und Ländern zu beachten. Ziel ist eine festgelegte Flächengröße als verbindliches raumordnerisches Planungsziel festzulegen. Studien zeigen, dass die Flächen in Deutschland ausreichen, um unseren Bedarf aus erneuerbaren Energien zu decken. Wir müssen sie nur mit entsprechenden Nutzungspflichten belegen.
• Ein gemeinsames Monitoring dieser Ziele und Festlegungen sowie die Identifizierung von Hemmnissen sollen über den Kooperationsausschuss zwischen Bund und Ländern
erfolgen, der aufgrund des Betreibens der SPD Fraktion bereits in der Novelle des EEG in den §§ 97 ff angelegt ist. Das Gremium veröffentlicht die Ergebnisse des Monitorings mindestens einmal jährlich und schafft somit die Grundlage für eine Nachsteuerung des regulatorischen Rahmens.
• Realistische Ausbauziele, die unsere Verpflichtungen auf europäischer und internationaler Ebene abbilden. Bis 2030 brauchen wir einen ambitionierten und konzertierten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die im deutschen Klimaschutzgesetz festgelegte Treibhausgasneutralität Deutschlands für 2050 erfordert, dass der Stromsektor
bereits deutlich vor 2050 vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt ist. Auch im Regierungsentwurf zum EEG 2021 ist festgelegt, dass vor 2050 der gesamte Strom, der in Deutschland erzeugt oder verbraucht wird, treibhausgasneutral erzeugt wird.
Um einen möglichst stetig-linearen und wirtschaftlich effizienten Ausbau – insbesondere für Wind-an-Land und Photovoltaik – über den gesamten Zeitraum sicherzustellen, müssen die technologiespezifischen Ausbaupfade und –ziele für 2030 schon heute deutlich angehoben werden. Damit geben wir den investierenden Unternehmen stabile Rahmenbedingungen, die gute Arbeit und Ausbildung im Bereich erneuerbare Energien ermöglichen.
Beschleunigung beim Ausbau statt Abbau
Genehmigungsverfahren dauern oft zu lange; alte Windkraft-Anlagen fallen aus der EEG-Förderung und bei „alten“ Windstandorten ist ein Repowering häufig nicht möglich. Der Ausbau der Offshore Windkraft kommt nicht schnell genug voran. Der 18-Punkte-Plan aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist immer noch nicht umgesetzt und hemmt den Ausbau von Wind an Land. Das regulatorische System rund um die Speicherung ist nicht geeignet, diese Technologie zu fördern oder deren breiten netzstabilisierenden Einsatz zu ermöglichen, stattdessen wird abgeregelt. Für den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft gibt es keinen vernünftigen regulatorischen Rahmen. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen:
• Ambitionierter Ausbau der Offshore-Windkraft. Die Windenergie auf See leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele sowie zur Versorgungssicherheit. Für die Planungs- und Investitionssicherheit der Branche sind verlässliche
Rahmenbedingungen erforderlich.
Zu den erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen gehören neben hinreichenden Ausbauzielen, die die Onshore-Ausbauziele im EEG spiegeln, auch ein geeignetes
Fördersystem. In der gerade abgeschlossenen Novelle des Wind-See-Gesetzes konnten wir die Einführung einer zweiten Gebotskomponente verhindern. In der Evaluierung im Jahr 2022 werden wir das Ausschreibungsdesign auf ein günstiges Modell mit
hoher Realisierungswahrscheinlichkeit hin überprüfen.
• Deutlich erhöhter Ausbau der Onshore-Windkraft und verlässliche Rahmenbedingungen für die heimische Windkraftindustrie. Wir wollen ein höheres Ausbauziel als
71 GW in 2030 festlegen und in den kommenden Jahren einen Netto-Rückbau vermeiden. Repowering soll konsequent ermöglicht werden. Knapp 70 Prozent der 2021 – 2025 aus dem EEG fallenden Anlagen stehen inzwischen außerhalb von Vorrangflächen. Unterstützende Regelungen von Bundesseite sind insbesondere für Anlagenstandorte mit planungsrechtlich zulässigen Höhenbeschränkungen notwendig, da deren Wettbewerbsfähigkeit im Ausschreibungssystem eingeschränkt ist. Für Repowering-Vorhaben an derlei Standorten sollten Ausnahmen von den Ausschreibungen vorgesehen werden – hilfsweise kämen Sonderausschreibungen in Betracht.
Auf Bundesebene sollten die Möglichkeiten des BauGB und des Raumordnungsgesetz (ROG) ausgelotet werden.
• Aufbruch der Solarindustrie unterstützen. Die solidarische, weil systemdienliche Eigenversorgung von Solaranlagen in Verbindung mit Speichern, insbesondere auch im Rahmen von Bürgerenergiegemeinschaften, muss erleichtert werden. Daneben braucht es eine klare Perspektive für Solaraltanlagen sowie Erleichterungen bei der Direktvermarktung und regionalen Herkunftsnachweisen, damit erneuerbarer Strom
auch am Markt einen angemessenen Preis erhält.
• Mehr Fläche für Solar. Bestandteil des Zukunftspaktes zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss auch die Vereinbarung aller politischen Ebenen sein, dass bis 2030
geeignete Dachflächen aller öffentlichen Gebäude und Liegenschaften zur Erzeugung von Strom und Wärme aus Solar- oder Windenergie genutzt werden. Im Bereich der
Neubauten soll es für geeignete Dächer von öffentlichen, privaten und gewerblichen Immobilien eine Solarpflicht geben. Bei mehreren Neubauten soll ein Quartiersansatz auch bezüglich anderer wünschenswerter Nutzungen vorgesehen werden, wie Dachbegrünungen oder Gemeinschaftsgärten, Sportanlagen, Kitas oder die Nutzung zu kulturellen Zwecken. Studien zeigen, dass Dachflächen allein ausreichen würden, um einen beträchtlichen Teil des Bruttostrombedarfs in Deutschland zu decken. Flankierend sollten Förderprogramm für Auto-Stellplätze mit Solar- und Speichertechnik aufgelegt werden, die dem Hochlauf der Elektromobilität dienlich sind. Erhebliche Flächenpotenziale für die Erneuerbare Energieerzeugung bieten auch die renaturierten
Tagebau-Seen in den Braunkohleregionen, die wir mit einem eigenen Ausschreibungssegment für sog. „Floating-PV-Anlagen“ erschließen wollen. Ein eigenes Ausschreibungssegment für die Agri-PV wollen wir ebenso verankern.
• Bessere Rahmenbedingungen für Sektorkopplung. Die Bereitstellung und die Nutzung von Energie haben sich im Zuge der Energiewende stark verändert, weshalb das
Versorgungssystem in Zukunft deutlich flexibler ausgestaltet werden muss. Fluktuierende Energiemengen müssen genutzt oder gespeichert statt abgeregelt werden. Zugleich ergeben sich auch auf der Nachfrageseite neue Profile und Lastspitzen, beispielsweise durch die zunehmende Kopplung der Sektoren durch Elektrifizierung oder
den Einsatz von Wasserstoff in den Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr.
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Ein zentraler Baustein, um die Flexibilität des Systems zu erhöhen, sind Speicher- neben der Flexibilisierung der Nachfrage selbst durch die Nutzung neuer digitaler Möglichkeiten. Um der besonderen Rolle von Speichertechnologien gerecht zu werden,
sollte eine spezifische energierechtliche Einordnung bzw. Definition von Speichern geschaffen werden. Da Speicher die aufgenommene Energie nicht verbrauchen, sondern
dem System mit zeitlicher Verzögerung wieder zur Verfügung stellen, unterscheiden
sie sich grundlegend von anderen elektrischen Geräten und Nutzungsformen. Daher
sollte die zwischenzeitliche Speicherung von Strom oder dessen Umwandlung in Wasserstoff nicht mit entsprechenden Abgaben und Umlagen belastet werden. Weiterhin
sollte die energierechtliche Definition von Speichern so ausgestaltet werden, dass
Speichern die gleichzeitige Teilnahme auf verschiedenen Märkten bzw. an verschiedenen Geschäftsmodellen umfassend ermöglicht wird, sofern dies die Erbringung von
Netz- oder Systemdienstleistungen fördert.
Praxisbeispiele zeigen, dass der Aufbau neuer sowie der Umbau bestehender Wärmenetze, verbunden mit dem Einsatz erneuerbarer Energien, wesentlich für die Erreichung der Klimaziele im Gebäudebestand sein wird. Neben der Nutzung von Umweltwärme, Abwärme und Solarthermie wird der Einsatz von Strom hier deutlich zunehmen. Wärmenetze und Speicher weisen eine hohe Trägheit auf und sind daher eine
hervorragende systemische Ergänzung zu den hochvolatilen Erzeugungsarten Windund Solarenergie. Großwärmepumpen sowie Power to heat werden in Zeiten hoher
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien einen kostengünstigen Beitrag zur Systemstabilität leisten, wenn sie nicht weiter von der Abgabenlast ausgebremst werden.
• Aufbau einer industriellen Wasserstoffwirtschaft auf Basis erneuerbarer Energien
insbesondere dort, wo dies aus Perspektive des Gesamtenergiesystems sinnvoll erscheint. Das gilt in ausgewählten Bereichen auch für den Einsatz strombasierter
Brenn-, Kraft- und Grundstoffe (PtX). Dafür prüfen wir eine vollständige Umlagebefreiung für die Produktion von grünem Wasserstoff. Es bedarf daher einer rechtlich
klaren Definition von grünem Wasserstoff. Ferner sollten die Netzentwicklungspläne
Strom und Gas stärker verschränkt werden, um das Prinzip der Sektorkopplung auch
auf der Ebene der Konzeption zukünftiger Energienetze zu realisieren.
Um die Genehmigung und Errichtung von Wasserstoffprojekten und Elektrolyseuren
zu erleichtern und zu beschleunigen, sollen (Standard-)Genehmigungsverfahren entwickelt werden.
Um den Betrieb von Wasserstoffinfrastruktur zu ermöglichen, wollen wir prüfen, wie
die bestehende Gesetzeslage so angepasst werden kann, dass Wasserstoffleitungen
schnell und auf sinnvolle Weise in die Regulierung aufgenommen werden. Kraftwerksförderung (insb. KWK) soll nur noch für Anlagen erfolgen, die „Wasserstoff-ready“
sind.
• Lenkungswirkung von Ausschreibungskriterien. In den Ausschreibungen für die geförderten Erneuerbare-Energien-Anlagen ist ein Faktor „Gute Arbeit“ aufzunehmen.
Bei Wind On- und Offshore Ausschreibungen sollte dies durch den Nachweis einer Tarifbindung bei Projektträgern und in der Lieferkette der Anlagenhersteller erfüllt sein.
Bei Solaranlagen sollte nachgewiesen werden, dass die ILO Kernarbeitsnormen von
den Herstellern, die Komponenten für förderfähige Systeme liefern, eingehalten werden. Es sollte ein Kriterium „CO2-Footprint“, das die Emissionen auf Grundlage des
gesamten Lebenszyklus von Modulen bestimmt, in die Ausschreibungen aufgenommen werden.
• Standardisierung naturschutzrechtlicher Vorgaben auf wissenschaftlicher Basis.
Sollte in diesem Jahr zwischen den Bundesländern keine Einigkeit hinsichtlich einer
Standardisierung mehr erzielt werden können, muss das Bundesnaturschutzgesetz insofern geändert werden, als dass die Standardisierung des Vollzugs per bundeseinheitlicher Verordnung geregelt wird. Denn Unternehmen und Behörden benötigen im
gesetzlichen Vollzug einheitliche, klare, praktikable Vorgaben zum Umgang mit den
komplexen artenschutzrechtlichen Vorgaben.
• Funknavigationsanlagen: Zudem muss die Reduzierung des Anlagenschutzbereichs
von Drehfunkfeuern, die Umrüstung von CVOR auf DVOR-Anlagen und die Änderung
der Verfahren der Deutschen Flugsicherung (DFS) zur Prognose von potenziellen Störungen von Windenergieanlagen auf Funknavigationsanlagen massiv beschleunigt
werden, um neue Flächen zu generieren.
• Frühzeitige und ernsthafte Bürgerbeteiligung. Auf Landesebene werden Servicestellen eingerichtet, die die Kommunen bei der Regional- und Flächennutzungsplanung
rechtlich unterstützen. Bei Bedarf sind sie den Kommunen auch bei der Gestaltung
und Durchführung transparenter Beteiligungs- und Dialogformate frühzeitig behilflich. Auch die französische „Commission Nationale du débat public“ (CNDP) kann als
Vorbild dienen: Dabei handelt es sich um eine unabhängige Kommission, die die frühzeitige Bürgerbeteiligung und Alternativenprüfung zu Infrastrukturprojekten organisiert.
Bezahlbare Erneuerbare Energie für alle
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Jeder soll erneuerbaren Strom einsetzen, nutzen und davon profitieren können. Im Moment
ist die Eigenversorgung mit bürokratischen Hemmnissen verbunden und damit unattraktiv.
Mieterstrom, der in einem Blockheizkraftwerk oder in einer Solar-Anlage auf dem Dach eines
Wohngebäudes erzeugt und an Letztverbraucher (insbesondere Mieter) in diesem Wohngebäude geliefert wird, unterliegt in vollem Umfang der EEG-Umlage, was ihn unnötig unwirtschaftlich macht. Das bremst massiv die Nutzung von Mieterstrom und erzeugt soziale Verwerfungen: Der alleinerziehende Vater in der Mietwohnung zahlt weiter hohe Stromkosten,
während sein Vermieter die Vergütung für Solar-Strom von seinem Eigenheim-Dach und die
Industrie insgesamt rund acht Milliarden Euro pro Jahr an Energie-Subventionen erhält. Er hat
bislang keine Möglichkeit an grünem Strom zu partizipieren. Kommunale Beteiligungsmodelle
gibt es nur in einzelnen Bundesländern. Unternehmen können sich grünen Strom nicht ohne
weiteres auf ihre Produktion anrechnen lassen, wenn der Wind- oder Solarpark sich nicht in
unmittelbarer räumlicher Nähe befindet. Wir müssen erneuerbare Energie für alle attraktiv
machen. Unser Ziel ist:
• Dezentralisierung und Bürgerenergie: Die Eigenversorgung bekommt europäischen
Schwung: Die Renewable Energie Directive II (RED II), die wir bis zum 30.06.2021 umsetzen müssen, sendet eindeutige und klare Signale an die Mitgliedstaaten: Dezentrale Energiekonzepte mit erneuerbaren Energien sind gewollt. Solidarische Eigenversorgungskonzepte einschließlich Konzepte gemeinschaftlicher Eigenversorgung wie
zum Beispiel Energiegenossenschaften sind gewollt. Speicher sind nötig. Wir sind gut
beraten, diese Vorgaben schon jetzt umzusetzen.
Neben dem Eigenverbrauch im Einfamilienhaus soll die Möglichkeit einer kollektiven
Eigenversorgung, die sich durch einen gemeinsamen Netzanschlusspunkt definiert,
geschaffen werden. Personenidentität (Produzent und Verbraucher) bei Eigenversorgung muss also aufgehoben und durch eine EU-konforme Regelung für Erzeugergemeinschaften und Vor-Ort-Verbrauch ersetzt werden. Mit 100 kW installierter Anlagenleistung kann die Eigenversorgung bis zum Netzanschlusspunkt ermöglicht werden. Auf den selbst erzeugten und verbrauchten Strom sind keine Abgaben- und Umlagen zu zahlen.
Zur Messung des Anteils der Eigenversorgung bzw. der Einspeisung ins öffentliche
Netz sind zunächst kurzfristig von den Netzbetreibern neue Standardlastprofile für
Prosumer einzuführen. Nach dem Messstellenbetriebsgesetz sollen alle größeren wie
kleineren Stromerzeuger bis zum Jahr 2032 gesetzlich vorgeschrieben mit Smart Metern ausgestattet sein. Mit diesem Roll-Out der verpflichtenden, intelligenten Messsysteme werden sukzessive die Voraussetzungen für eine energiewirtschaftlich einwandfreie Bilanzierung geschaffen sowie die Digitalisierung vorangebracht.
Das Modell der kollektiven Eigenversorgung unter Aufhebung der Personenidentität
sowie einer Flexibilisierung der Nutzerstrukturen löst auch die Hemmnisse beim Ausbau des Mieterstroms.
• Stärkere lokale Wertschöpfung durch erneuerbare Energien. Daher soll es für BürgerInnen und Kommunen Beteiligungsmodelle an Wind- und Solarparks geben. • Grünstrom-Anleihen, mit denen sich BürgerInnen an Wind- oder Solarparks beteiligen können, müssen geschaffen werden.
• Neue Formen der Direktvermarktung. In den wenigsten Fällen liegen die Orte großer
Erzeugungsanlagen und der Verbrauch von Strom in unmittelbarer räumlicher Nähe.
Eine physikalische direkte Lieferung von erneuerbarem Strom ist daher meist nicht
möglich, sodass vertragliche Lieferbeziehungen im Regelfall nur über öffentliche Versorgungsnetze laufen können. Dies ist jedoch für viele Unternehmen ein Problem. Mit
der Einspeisung in das Versorgungsnetz verliert der erneuerbare Strom diese Eigenschaft. Dies hat zur Folge, dass nach derzeitiger Rechtslage dem Verbraucher nur
„grauer Strom“ geliefert wird, selbst wenn der Vertragspartner nur erneuerbarem
Strom produziert oder vermarktet. Daher soll als neue Vermarktungsform ein Marktentwicklungsmodell eingeführt werden. Der Anlagenbetreiber bzw. dessen Direktvermarkter hätte dann künftig die Möglichkeit, durch eine neue Form der sonstigen Direktvermarktung – dem Marktentwicklungsmodell – erneuerbaren Strom direkt an
den Unternehmer als Letztverbraucher im Rahmen eines Bilanzkreises unter Weitergabe der „grünen“ Eigenschaft zu vermarkten. Das Marktentwicklungsmodell verzichtet dabei auf einen EEG-Zahlungsanspruch, wofür im Gegenzug – für die Allgemeinheit
kostenneutral – der ersparte EEG-Zahlungsanspruch auf die EEG-Umlagezahlungspflicht des Energieversorgers angerechnet wird. Ein Übergang zwischen Direktvermarktung und Einspeisung ins Netz der allgemeinen Versorgung muss weiterhin flexibel möglich sein, um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden.
• Digitalisierung der Netze. Die Energiewende setzt eine Digitalisierung aller Netzebenen voraus. Damit können bestehende Anlagen und Verteilnetze besser im Sinne einer dezentralen Energieversorgung genutzt werden. Der Einsatz von intelligentem
Messsystemen sollte dafür vor allem für Private gefördert werden.
Steuern- und Umlagesysteme und Marktdesign reformieren
Die EEG-Förderung hat das System der erneuerbaren Energien erst attraktiv gemacht. Ohne
die Förderung wären wir beim Ausbau nicht so weit wie jetzt. Es ist völlig klar, dass wir die
Erneuerbaren Technologien zum jetzigen Zeitpunkt noch weiter fördern müssen. Ohne eine
umfassende Reform des Abgaben- und Umlagesystems und auch der Netzentgelte droht uns
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allerdings eine massive Schieflage in der Finanzierung der Energiewende. Das verdeutlicht
auch die Höhe der EEG-Umlage für das kommende Jahr (ohne den Zuschuss aus Haushaltsmitteln). Das jetzige System basiert auf fossiler Energieerzeugung, setzt Fehlanreize. Seitdem der
erneuerbare Strom nahezu komplett am Spotmarkt verkauft werden muss, sinken dort die
Strompreise. Die zunehmende Einspeisung von Solar- und Windstrom senkt die Börsenpreise,
doch je mehr erneuerbare Energien installiert werden, umso teurer erscheint die Kilowattstunde erneuerbaren Stroms in der Förderung. Das hängt vor allem mit dem unfairen Marktregime zusammen. Strom aus den konventionellen Kraftwerken wird Jahre im Voraus entweder auch über die Strombörse oder im freien Handel verkauft. Am kurzfristigen Spotmarkt, an
dem die Erneuerbaren Energiemengen gehandelt werden, treffen somit Überschüsse aus hoher Einspeisung erneuerbarer Energien auf einen teilweise bereits gesättigten Markt. Da es
zwar einen Einspeisevorrang für den Erneuerbaren Strom, aber keine Abnahmeverpflichtung
gibt, kommt es in Zeiten hoher Einspeisung zu dramatischen Stromüberschüssen. In dieser
Situation können nur Stromhändler, die auch eigene Kraftwerke im Portfolio haben, reagieren.
Sie können je nach Preis an der Börse entweder Strom selbst produzieren und verkaufen („produce and sell“) oder sie kaufen und verkaufen („buy and sell“).
Die jetzigen umfangreichen Ausnahmen von der Umlage vor allem zu Gunsten der Industrie
werfen Gerechtigkeitsfragen auf. Es kann nicht sein, dass die finanzielle Last oft auf den Schultern der Durchschnittsverdiener liegt.
Auch die Systematik der Netzentgelte passt nicht mehr zur neuen Erzeugungswelt. Das jetzige
System schafft Fehlanreize, in dem es die Regionen mit viel erneuerbaren Energien über die
Wälzung mit höheren Netzentgelten „bestraft“. Wir wollen:
• Die EEG-Umlage bis Mitte der 20er Jahre abschaffen, um der Entsolidarisierung der
Umlagezahlung durch eine erhöhte Eigenstromnutzung und Dezentralisierung sowie
durch die umfangreichen Ausnahmeregelungen für Unternehmen entgegenzuwirken.
Dies bedeutet aber keineswegs eine Abschaffung der Förderung, sondern eine anders
geartete Finanzierung der Förderung. Statt eines Nebeneinanders von EEG-Umlage
und Stromsteuer sollten wir uns auf einen Mechanismus beschränken und damit zweifachen Aufwand vermeiden. Die Absenkung der EEG-Umlage auf null würde Vereinfachungen mit sich bringen und neuen Spielraum für energiewendedienliche Konzepte
eröffnen. Die Finanzierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien soll über die Einnahmen aus dem CO2-Preis, eine Erhöhung der Stromsteuer und den Abbau von klimaschädlichen Subventionen gegenfinanziert werden.
• Neues Marktdesign. Um die jetzige Preissituation am Marktzu überwinden, brauchen
wir mehr Flexibilität am Markt. Erstens müssen die Betreiber konventioneller Kraftwerke im Falle von Stromüberschüssen verpflichtet werden, nicht zwingend benötigte
Einspeisung abzuschalten, sodass keine negativen Strompreise entstehen. Zweitens
muss die künstliche Verknappung am Markt durch Behinderung der Sektorenkopplung beendet werden. Dafür müssen wie oben beschrieben Speicher und Wandler
nicht länger durch Abgaben, Umlagen und Bürokratie belastet werden.
• Eine einheitliche Infrastrukturabgabe statt des komplexen Systems der Netzentgelte
schafft Gerechtigkeit, setzt die richtigen Anreize für einen effizienten Energieeinsatz
und reduziert den bürokratischen Aufwand. Eine Entsolidarisierung über verstärkte
Eigennutzung kann so vermieden werden.
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