Im Anschluss an unseren Referatsabend “Rentenreform: Aber wie?” hat unsere Arbeitsgruppe “Rente” folgendes Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit & Soziales aufgesetzt und am 26. Januar 2017 an Andrea Nahles versendet:

Vorschlag zur Umstrukturierung der “Rente”, basierend auf dem Prinzip der Solidarität:
von allen für alle

Sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Andrea,

die von Dir vorgelegten Vorschläge zur Rentenreform* weisen teilweise bereits in die richtige Richtung, gehen aber noch nicht weit genug, um eine langfristig tragfähige und solidarische Lösung der Rentenproblematik zu gewährleisten. Hierzu ist unseres Erachtens nach eine grundsätzliche Umstrukturierung des gesamten Rentensystems erforderlich mit folgenden Zielen:

  • Anhebung des Rentenniveaus auf wenigstens 50%

  • Mindestrente oberhalb der Grundsicherung für alle Einzahlenden

  • Entlastung der unteren Einkommensgruppen und Aufwertung deren Einzahlungen

  • Solidarische Beteiligung aller Einkommen (auch das der Beamten, der Freien Berufe und der Kapitalerträge) zur Finanzierung der Rente

Bei der Rente sollte es sich um eine gesamtgesellschaftliche Leistung handeln. Es ist daher notwendig, die Finanzierung entsprechend der Kapazitäten der einzelnen Bürgerinnen und Bürger solidarisch zu verteilen. Erklärtes Ziel muss es sein, die Rente sicher und für alle zugänglich zu machen, und zwar oberhalb des Existenzminimums, und damit die sonst deutlich um sich greifende Altersarmut ab etwa 2030 zu verhindern.

Unser Vorschlag zur Finanzierung basiert auf dem Prinzip des Soli, d.h. die RV-Beiträge der Arbeitnehmerinnen und -nehmer verhalten sich proportional zu ihrer Steuerschuld.

Alle Einkommen werden zu Pflichtbeiträgen herangezogen, die aus angestellten Arbeitsverhältnissen genauso wie die der Selbstständigen, der Beamten und der Menschen mit (zusätzlichen) Kapitalerträgen oberhalb des Sparerpauschbetrags. Diese Beiträge bilden die erste Säule der Rentenversicherung. Es gibt keine Beitragsbemessungsgrenze. Die zukünftigen RV-Beiträge für Einkommen unterhalb der derzeitigen Beitragsbemessungsgrenze dürfen die heutigen Rentenbeiträge nicht übersteigen.

Die zweite Säule bilden die Arbeitgeber-Beiträge. Letztere sind mindestens genauso hoch wie die der Arbeitnehmer anzusetzen. Der AG-Beitrag, der allgemein als Betriebsrente gelten soll, kann freiwillig auch höher als der AN-Beitrag ausfallen, um die Attraktivität der Firma zu erhöhen. Dieser Anspruch muss bei AG-Wechsel übertragbar sein und einem Insolvenzschutz unterliegen. Die bisherigen Betriebsrenten würden darin aufgehen. Selbstständige zahlen beide Beiträge, sozusagen als ihr eigener Arbeitgeber, können diese aber als Betriebsausgabe absetzen. Die ersten beiden Säulen sollen der Erhaltung des Lebensstandards dienen.

Die dritte Säule stellt eine zusätzliche freiwillige Altersvorsorge dar. Sie kann staatlich gefördert werden, z.B. durch Einzahlungen in die Rentenkasse oder in Fonds, die besonderen staatlichen Schutz gegenüber Finanzkrisen genießen.

Unser Vorschlag zur Rentenauszahlung beinhaltet eine Grundrente oberhalb der Grundsicherung für alle Erwerbstätigen und Arbeitslosen, die zwar RV-Beiträge geleistet haben, welche aber zu einer Rente unterhalb der Armutsgrenze führen würden. Das Niveau der Grundrente wird jährlich neu ermittelt. Die Unterstützung für Bürgerinnen und Bürger, die keine RV-Abgaben geleistet haben, muss gesondert betrachtet werden; z.B. könnten sie eine Zuwendung bekommen, die der heutigen Grundsicherung entspricht.

Bei den Rentenzahlungen aufgrund der ersten beiden Säulen gibt es eine Obergrenze in der Größenordnung der heutigen staatlichen Rentenauszahlungen. Die von Betrieben, Arbeitnehmern bzw. Selbstständigen freiwillig gezahlten Rentenbeiträge können zu einer Rentenauszahlung oberhalb der Auszahlungsgrenze führen.

Warum wollen wir das Rentensystem ändern? Weil die derzeitige Renten- und Pensionsfinanzierung nicht solidarisch ist. Es herrscht eine unverhältnismäßig starke Belastung wenig finanzstarker Einkommensgruppen vor (vgl. Grafiken weiter unten). Diese wird noch durch das Regelwerk der Rentenberechnung verstärkt, da es auf das bundesweite RV-relevante Durchschnittseinkommen Bezug nimmt, anstatt auf den bundesweiten Einkommensmedian. Dies führt zwangsläufig dazu, dass die unteren Einkommensgruppen finanziell gar nicht imstande sind, ihre Rente aufzubessern. Außerdem stellen sich Beamte zu Angestellten in vergleichbaren Positionen im Alter oftmals ungleich besser. Versorgungseinrichtungen selbstständiger Berufsgruppen können aufgrund ihrer meist durch die Solidargemeinschaft finanzierten besseren Ausbildungen in “Elitefonds” investieren und haben Freiheiten bei der Wahl der Renten- bzw. Pensionsgestaltung, die angestellten Berufsgruppen verwehrt bleiben.

Im Großen und Ganzen ist dieses Finanzierungsdilemma erkannt worden. Doch bisherige Lösungsvorschläge bleiben in der alten Systematik verhaftet und führen zu höheren Belastungen der Rentenbeitragszahler und/oder zu Kürzungen der Rentenauszahlungen. Des weiteren bewegen sie sich in einem undefinierten Mix aus RV-Beiträgen, Steuerfinanzierungen und privater Vorsorge, ohne zu konkretisieren, wie hoch die jeweiligen Beiträge sein sollen. Dies birgt immer die Gefahr gegenseitiger Begehrlichkeiten auf die Steuereinnahmen unter den verschiedenen Ministerien bei den regelmäßigen Haushaltsaufstellungen.

Ist eine Umsetzung realistisch? Dies sollen die Beispiel-Rechnungen anhand echter Einnahmen- und Steuerverteilungen weiter unten darlegen.

Die angehängte grafisch-schematische Darstellung der Abgaben für Rentenbeiträge und für Lohn- bzw. Einkommenssteuern durch Arbeitnehmer zeigt im Vergleich anschaulich die Belastung der Arbeitnehmer in Abhängigkeit vom Bruttolohn. Die orangefarbene Kurve mit Rauten gibt die Rentenbeitragshöhen durch den Arbeitnehmer wider. Der Arbeitgeber leistet mindestens paritätisch noch einmal die gleiche Kurve. Schon ab dem ersten Euro Verdienst wird in die Rentenkasse eingezahlt. Die rote Kurve mit den Quadraten zeigt die Belastung durch die Steuerschuld (in der Steuerklasse 3, verheiratet) in Abhängigkeit vom Bruttolohn.

Die angehängte Tabelle zeigt eine mögliche Abgabenstruktur des vorgeschlagenen Modells. Diese Daten sind zwar aus dem Jahr 2010. Die Systematik ist jedoch heute dieselbe. Man kann erkennen, dass das Erreichen unserer Zielvorgaben möglich wäre. Auch die solidarische Beteiligung aller Einkommensgruppen im Vergleich zur heutigen Systematik wird deutlich.

Über eine Rückmeldung zu unserem Vorschlag würden wir uns freuen
und verbleiben mit solidarischen Grüßen

Dr. Sven Nissen-Meyer                                                   Marion Koppelmann

— Stellv. Pressebeauftragter —                                         — OV-Vorsitzende —

Quelle der Einkommens- und Steuerverteilung: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/Steuern/LohnEinkommensteuer/Tabellen/GDE.html

Vergleich derzeitige Rentenbeiträge mit möglichen künftigen:

Vergleich Steuerschuld mit Rentenbeiträgen

*) In den Medien und im “Vorwärts” vom Januar 2017 von Andrea Nahles beschriebene Reformvorschläge in Sachen Rente

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